Einleitung

DieQualitätskriterien
:
Bundesanzeiger Nr. 117 vom 29.06.1993
Seite 5926 ff.
Bundesministerium für Gesundheit
Bekanntmachung der Spitzenverbände der
Krankenkassen
(Qualitätskriterien für
Blindenführhunde: Qualitätsstandarts
der Prüfungsgruppe "Einlagen") vom
19. Mai 1993.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen
gemeinsam erstellen ein
Hilfsmittelverzeichnis, in dem die
von der Leistungspflicht umfaßten
Hilfsmittel aufzuführen und die dafür
vorgesehenen Festbeträge oder
vereinbarten Preise anzugeben sind.
Das Verzeichnis ist regelmäßig
fortzuschreiben. Die
Spitzenorganisationen der
betreffenden Leistungsträger sind vor
Erstellung und Fortschreibung des
Verzeichnisses anzuhören. Das
Hilfsmittelverzeichnis ist im
Bundesanzeiger bekannt zu machen
(§128 SGB V).
Zu diesem Zweck werden 34
Produktgruppen gebildet, denen die
einzelnen Hilfsmittel zugeordnet
werden. In der Produktgruppe
"Verschiedenes" (Produktgruppe 99)
werden die Hilfsmittel aufgenommen,
bei denen es sich um individuelle
Produkte handelt, die sich keiner
anderen der übrigen 33 Produktgruppen
zuordnen lassen.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen
gemeinsam machen gemäß §128 SGB V
folgenden Teilbereich der
Produktgruppe "Verschiedenes", der
neu in das Hilfsmittelverzeichnis
aufgenommen wurde, bekannt:
Qualitätskriterien zur Auswahl,
Ausbildung und Kostenübernahme für
Blindenführhunde
Blindenführhunde sind ein Hilfsmittel
im Sinne des §33 SGB V. Sie sollen
einen Blinden oder hochgradig
sehbehinderten Versicherten eine
gefahrlose Orientierung sowohl in
vertrauter als auch in fremder
Umgebung gewährleisten. Da der
Blindenführhund im Gegensatz zu den
sonst üblichen Hilfsmitteln ein
lebendes Wesen ist, erfordert die
Auswahl von Hunden und deren
Ausbildung zum ständigen Begleiter
des Versicherten einschließlich
dessen "Einschulung" mit dem
Blindenführhund ein besonderes hohes
Maß an individuellem
Einfühlungsvermögen und Sachkenntnis
in bezug auf die Kynologie und das
Orientierungs- und Mobilitätstraining
für Blinde.
Vertragspartner der Krankenkassen zur
sachgemäßen Blindenführhundversorgung
der Versicherten können nur Personen
oder Blindenführhundschulen werden,
die eine den nachfolgenden Kriterien
entsprechende Qualifizierung
nachweisen oder durch die in der
Vergangenheit erbrachte Leistung eine
diesen Kriterien entsprechende
ausreichende und zweckmäßige
Leistungserbringung gewährleisten.

 

1. Auswahl von Hunden für die Ausbildung zum Blindenführhund

1. Auswahl von Hunden für die
Ausbildung zum Blindenführhund
Für die Aufnahme in die eigentliche
Blindenführhundausbildung sind
grundsätzlich nur Hunde vorzusehen,
die mindestens ein Jahr, höchstens
zwei Jahre alt sind; die Schulterhöhe
soll mindestens 50 maximal 65 cm
betragen. Geringfügige Unter- oder
Überschreitungen des Höchstalters und
der Schulterhöhe sind bei ansonsten
geeigneten Hunden zu tolerieren.
Es muß sich um friedfertige,
intelligente, wesensfeste,
nervenstarke, arbeitsbelastbare und
gesunde Junghunde handeln, die nicht
aus Massenzuchten stammen oder vom
gewerblichen Tierhandel oder von
Tierheimen erworben wurden. Sie
sollen im engen Verbund mit Menschen
aufgewachsen und entsprechend
sozialisiert sein. Der vom Ausbilder
zu liefernde Herkunftsnachweis des
Junghundes muß auch eine vor Aufnahme
in die Blindenführhundausbildung
begonnene Schutzhundausbildung oder
-abrichtung zweifelsfrei
ausschließen.
Für die Ausbildung zum Blindenführhund
kommen sowohl Rassehunde als auch
Mischlingshunde männlichen und
weiblichen Geschlechts in Betracht.
Rassetypisch zur Aggressivität
neigende Tiere (z.B. Mastino,
Doberman, Rottweiler) sowie
Aggressive Junghunde anderer Rassen
dürfen nicht als Blindenführhunde
ausgebildet werden.
Bei Aufnahme in die
Blindenführhundausbildung muß durch
ein tierärztliches Attest, das nicht
älter als drei Monate sein darf, die
Gesundheit des Hundes nachgewiesen
sein; er muß insbesondere über eine
intakte Wirbelsäule und intakte
Gelenke verfügen sowie frei von
Hüftgelenksdysplasie (HD) und
schwerwiegenden Augenerkrankungen
(z.B. Progressive Retina Atrophie)
sein. Schäferhunde mit dem Befund "HD
fast Normal" und Retriver mit dem
Befund "HD Verdacht" können
zugelassen werden, wenn sie
unmittelbar vor der Ausbildung von
einem Tierarzt im Hinblick auf
Gebäude, Bemuskelung und
einwandfreien Lauf -
erforderlichenfalls auch
röntgenologisch - untersucht und für
unbedenklich erklärt worden sind.

 

2. Ausbildung zum Blindenführhund

2. Ausbildung zum Blindenführhund
Für die Ausbildung zum Blindenführhund
werden verschiedene Methoden des
Verhaltenstrainings und der
tiergerechten Lernprozesse angewendet
(z.B. klassische Konditionierung nach
Pawlow, hundgerechte
Ausbildungsmethode nach Hantke), die
jedoch alle sicherstellen müssen, daß
durch sie die natürliche
Willensstärke des Hundes nicht
gemindert bzw. gebrochen wird oder
die Bestimmungen des
Tierschutzgesetzes verletzt werden.
Ziel der Blindenführhundausbildung ist
es, den Blindenführhund in die Lage
zu versetzen, den blinden oder
hochgradig sehbehinderten
Versicherten seine durch die
Behinderung eingeschränkte Mobilität
und Orientierungsmöglichkeit
weitestgehend zurückzugeben. Dies
setzt voraus, daß der Führhund nach
abgeschlossener Ausbildung - auch
selbständig - in der Lage ist, das
"Gespann" Führhundhalter und Hund
ohne Gefährdung für das Gespann oder
Dritte sicher durch den allgemeinen
Verkehr auch außerhalb des häuslichen
Bereichs zu führen. Der
Blindenführhund muß auf entsprechende
Hörzeichen (verbale Anweisungen) des
Führhundhalters selbständig in einer
für diesen und Dritte ungefährlichen
Weise Verkehrswege benutzen, Objekte
(z.B. Verkehrsmittel, Treppen, Türen,
Sitzgelegenheiten) aufsuchen und Ihn
vor eventuell auftretenden Gefahren
warnen (z.B. durch Stehenbleiben) und
schützen. Dies kann bedeuten, daß
sich der Blindenführhund im
Einzelfall den Hörzeichen des
Führhundhalters aktiv wiedersetzen
muß.
Die Art und Weise der
Blindenführhundausbildung muß den
wesentlichen Grundsätzen der
"Richtlinien für die Auswahl und
Ausbildung von Führhunden, Auswahl,
Einarbeitung und Nachbetreuung der
Führhundhalter" (insbesondere
Abschnitt A II) des Deutschen
Blindenverbandes e.V.
(DBV-Richtlinien) vom Dezember 1989
entsprechen.

 

3. Qualitätssicherung

3. Qualitätssicherung
Die Zulassung als Leistungserbringer
nach §126 Abs. 1 SGB V setzt voraus,
daß der Ausbilder/Die
Blindenführhundschule gegenüber den
Spitzenverbänden der Krankenkassen,
Geschäftsstelle Hilfsmittel beim
IKK-Bundesverband, verbindlich
erklären, daß die Ausbildung zum
Blindenführhund einschließlich der
"Einschulung" und der Nachbetreuung
des künftigen Führhundhalters nach
diesen Kriterien durchgeführt wird.
Die Erklärung des Leistungserbringers
hat eine vertraglich abzusichernde
Bereitschaft zur kostenlosen
Nachbesserung/-schulung für den Fall
mangelhafter oder nachlassender
Führhundleistungen, deren Ursache in
der Auswahl des Hundes und/oder der
Führhundausbildung liegt
(Gewährleistung) sowie sein
Einverständnis für die Dauer der
Zulassung zu beinhalten, daß die
Spitzenverbände der Krankenkassen
oder von ihnen beauftragte - ggf. im
Zusammenwirken mit dem Deutschen
Blindenverband e.V. - ohne vorherige
Ankündigung die Ausbildung und
Haltung von Blindenführhunden
überprüfen können. Die Dauer der
Gewährleistung ist vertraglich zu
vereinbaren.
Meinungsverschiedenheiten über die
Ursache mangelhafter oder
nachlassender Führhundleistungen sind
gütlich unter den Beteiligten
(Versicherte, Leistungserbringer,
Krankenkasse) - gegebenenfalls unter
Einschaltung eines Sachverständigen -
beizulegen.

 

4. Eignung und Einarbeitungslehrgang

4. Eignung und Einarbeitungslehrgang
des künftigen Führhundhalters,
Gespannprüfung
Eine sachgerechte Verwendung des
Hilfsmittels Blindenführhund setzt
voraus, daß der ausgebildete
Blindenführhund zum künftigen Halter
paßt und daß der Halter bereit und in
der Lage ist, den Blindenführhund als
zuverlässigen Partner und - im
übertragenen Sinne - als Ersatz für
das nicht mehr vorhandene Augenlicht
zu akzeptieren. Darüber hinaus muß
der künftige Führhundhalter die
Eignung zum Umgang mit Hunden
besitzen und die ihm mit der
Übereignung eines Blindenführhundes
übertragene Verantwortung anzunehmen
bereit und in der Lage sein.
Für eine Hundehaltung nicht geeignete
Menschen und Versicherte, die nicht
in der Lage sind, den Blindenführhund
außerhalb seiner Führdiensttätigkeit
den zur artgerechten Lebensführung
erforderlichen Freiraum (z.b. Auslauf
ohne Führgeschirr und Leine) zu
ermöglichen, können nicht mit dem
Hilfsmittel Blindenführhund zu Lasten
der Krankenkassen versorgt werden.
Im Anschluß an die erfolgreiche
Ausbildung des Hundes zum
Blindenführhund müssen von der
Blindenführhundschule im Rahmen eines
Einarbeitungslehrgangs Hund und
künftige Halter aufeinander
abgestimmt werden. Der Versicherte
muß im Rahmen eines solchen Lehrgangs
ein "blindes" jedoch
kritisch-verantwortliches Vertrauen
zu dem Blindenführhund entwickeln;
der Blindenführhund und der künftige
Halter als Bezugsperson und
"Rudelführer" innerhalb kurzer Zeit
akzeptieren. Darüber hinaus muß der
künftige Halter die Hörzeichen für
den Hund und den Umgang mit ihm nicht
nur im allgemeinen Verkehr, sondern
auch in seiner Wohnung und in anderen
Gebäuden (z.B. Kaufhäuser,
öffentliche Institutionen) erlernen.

Die notwendige Dauer des
Einarbeitungslehrgangs hängt nicht
zuletzt von der Phase der
Eingewöhnung zwischen Hund und Halter
und der Auffassungsgabe des künftigen
Halters ab; er dauert im Regelfall
nicht unter 14 Tage und nicht über 28
Tage. Bestandteil des
Einarbeitungslehrgangs müssen auch
Informationen über die artgerechte
Tierhaltung und Ernährung des
Blindenführhundes sowie
gegebenenfalls eine Einweisung am
Wohnort des Versicherten sein.
Den Abschluß des
Einarbeitungslehrgangs bildet eine
Prüfung, die am Sitz des
Leistungserbringers, in begründeten
Fällen auch ganz oder teilweise am
Wohnort des Versicherten stattfindet.
Während der Prüfung müssen folgende
Nachweise vom Hund und Halter
gemeinsam erbracht werden:
Sichere Führung im Straßenverkehr
Beobachtung der Verkehrssituation
durch Hund und Halter, sowie adäquate
Gebung von Warnhinweisen durch den
Hund
Warnung vor oder Umgehung von
Hindernissen, die zwar für den Hund
ungefährlich, für den Halter aber
verletzungsgefährdend sind
Adäquate Reaktion des Halters auf
Warnhinweise des Führhundes
Die erfolgreiche Ablegung der Prüfung
ist von einer sachverständigen,
unabhängigen Prüfkommission zu
bescheinigen, die aus folgenden
Personen bestehen sollte:
Erfahrener Hundetrainer/-ausbilder
und/oder Orientierungs- und
Mobilitätstrainer
Vertreter der
Blindenselbsthilfeorganisationen auf
Bundes- oder Landesebene
Vertreter der Krankenkassen
Die Mitglieder der Prüfkommission
werden von den Landesverbänden der
Krankenkassen einvernehmlich
bestimmt. Kommt eine Einigung bei der
Besetzung der Mitglieder der
Prüfkommission nicht zustande,
berufen die Spitzenverbände der
Krankenkassen die entsprechenden
Mitglieder nach Abstimmung mit dem
Deutschen Blindenverband e.V.
Auf Wunsch des Versicherten ist einer
von ihm benannten Vertrauensperson
ebenso wie dem Ausbilder des
Blindenführhundes Gelegenheit zu
geben, die Prüfung zu beobachten.
Bei der Besetzung der Prüfkommission
und der Durchführung der einzelnen
Prüfungen ist sicherzustellen, daß
weder die beteiligte
Ausbildungsstätte noch mit dieser
konkurrierende andere
Leistungserbringer auf das
Prüfungsergebnis Einfluß nehmen
können. Entsprechendes gilt für
Blindenselbsthilfeverbände, die
gleichzeitig - ganz oder teilweise -
Träger einer Blindenführhundschule
sind.

 

5. Voraussetzung der Kostenübernahme

5. Voraussetzung der Kostenübernahme
durch die Krankenkasse und
Übereignung des Blindenführhundes
Erst nach Vorlage einer Bescheinigung
über die erfolgreich abgelegte
Gespannprüfung übernimmt die
Krankenkasse die vom
Blindenführhundausbilder bzw. der
Blindenführhundschule in Rechnung
gestellten Kosten nach Maßgabe der
vertraglichen Regelungen (§127 SGB V.
Der Blindenführhund ist dem
Versicherten von der
Ausbildungsstätte in führbereitem
Zustand zu übergeben (incl.
Führgeschirr, Halsband und Leine).
Der Blindenführhund wird von dem
Versicherten von der Krankenkasse mit
der Maßgabe übereignet, ihn
artgerecht zu behandeln und zu
pflegen. Damit ist gleichzeitig eine
Übernahme der sich aus der Haltung
des Blindenführhundes ergebenden
Rechte und Pflichten durch den
Versicherten verbunden (z.B.
Tierhalterhaftung).
Eine zweckentfremdende Verwendung oder
nicht artgerechte Haltung des
Blindenführhundes durch den
Versicherten oder mit seinem
Einverständnis schließt für die
Zukunft einen Anspruch auf
Ersatzbeschaffung zu Lasten der
Krankenkassen aus.

 

6. Nebenkosten der Blindenfürhund versorgung

6. Nebenkosten der
Blindenführhundversorgung
Die Krankenkasse übernimmt im Rahmen
des §33 SGB V die dem Versicherten
durch die Haltung des
Blindenführhundes entstehenden
Kosten. Regelmäßig entstehende Kosten
(u.a. Futterkosten, Impfkosten)
werden von der Krankenkasse durch
Zahlung eines monatlichen
Pauschbetrages in Höhe des nach §14
BVG jeweils gültigen Betrages
abgegolten. In unregelmäßigen
Abständen entstehende Kosten (u.a.
der tierärztlichen ambulanten oder
stationären Behandlung) und die
gegebenenfalls notwendige Erneuerung
von Führgeschirr, Halsband und Leine
übernimmt die Krankenkasse im
notwendigen Umfang.